Change! HochStand

(English below)

Eröffnung: Sonntag, 30. Mai 2021, 14 – 18 Uhr

Begrüßung und Einführung 14:30 Uhr mit anschließender Musik von Kohmann&Weiß

Künstler und Künstlerinnen: Heike Kati Barath, Oliver Gather, Jan Gmeinhardt, Hubertus Hess,
Sarah Iremonger, Paul Mayer, Minyoung Park, Beate Passow, Hans Pfrommer und Philipp Schönborn.



Es gibt Ikonen, die so tief eingebrannt sind ins kollektive Bildgedächtnis, dass man sich über ihre besondere Bedeutung gar nicht mehr aktiv bewusst ist. Der Hochstand zählt zu dieser seltenen Art. Dass allgemein die Jagd ihren festen Platz im stereotypen Bild über die Deutschen und ihr Land einnimmt, ist unstrittig. Dabei ist sie in der Praxis für den Großteil der Bürger eine recht ferne Angelegenheit, denn nur ein geringer Teil der Bevölkerung ist im Besitz eines Jagdscheins. Der Hochstand jedoch ist für alle sichtbar, die sich nicht ganz unaufmerksam durch die Welt bewegen. Er begegnet einem jeden von uns immer wieder bei Spaziergängen und Ausflügen. Die Künstler unserer Ausstellung finden in seiner motivischen Ambivalenz und seiner Weigerung sich eindeutig einzuordnen eine spezifische Qualität. Denn für ein Gebilde, dessen Existenz so radikal auf einer simplen Zweckmäßigkeit beruht, birgt es eine enorme Formenvielfalt und ein erhebliches Maß an ikonographischer Eigenständigkeit. Die Ambition des Waidmanns, sein Bauwerk möglichst nahtlos in die Natur zu integrieren teilt er mit so manchem Architekten. Gleichzeitig repräsentiert der Hochstand in seiner Archaik so etwas wie die Urform von Architektur überhaupt. Als reines Symbol wiederum verkörpert er einen Ort der Ruhe, aber insbesondere als historisches Motiv auch die Herrschaft und das damit verbundene Privileg zur Jagd. Hinter alledem steht der Hochstand mit seinem ganz pragmatischen Hintergrund jedoch auch für eine ungemütliche und im Kontext der Ausstellung zentrale Erkenntnis: In Zeiten, in denen ein Großteil unserer Bäume dem Untergang geweiht ist, bleibt der Wald kein Ort des reinen Idylls mehr, sondern ist längst ein solcher, an dem die Krise direkt lesbar wird. Bei der Aufforstung mit Baumarten, die den Herausforderungen des Klimawandels gewachsen sind, wird die Jagd, indem sie die Schäden durch Wildverbiss an jungen Pflanzungen reguliert, eine wesentliche Rolle spielen. In diesem Spannungsfeld der konträren Deutungen und Bedeutungen führt unsere Ausstellung Künstler zusammen, die in der Auswahl des Motivs einen gemeinsamen Nenner fanden, dem sie sich jedoch von weit voneinander entfernt liegenden Positionen aus nähern.

Da ist die über 7 Meter hohe Ölmalerei Heike Kati Baraths, die für ihre entwaffnenden Figuren im Großformat bekannt ist. Auf dieselbe Weise inszeniert sie ein nicht enden wollendes Untergestell einer Kanzel als groteske Holzwerdung des sprichwörtlichen Elfenbeinturms. Daneben zeigt Jan Gmeinhardts Diorama die einsame Szene eines Hochsitzes in einer steppenartiger Landschaft, die wirkt wie ein dystopischer Blick in die Zeit nach der Klima- Apokalypse. Doch der Eindruck täuscht: Sowohl seine Miniatur als auch seine Ölmalerei finden ihre Entsprechung tatsächlich weder in der Zukunft noch in der Vergangenheit sondern im Hier und Jetzt. Bei Minyoung Park zeigt sich der Wald als dynamische Kulisse, fast wie getaucht ins Neonlicht einer modernen Großstadt. Der Hochstand taucht auf als Rückzugsort, auch für den Betrachter, der inmitten der flirrenden Acrylmalerei den Blick ruhen lassen kann. Daneben reicht Hubertus Hess ein Holzblock auf einer Klappleiter, vorne die Trophäe eines Rehbocks und hinten ein Bambi-Figürchen, um das Sujet eindeutig aufzurufen. Die Reduktion erfolgt in erleuchtender Analogie zur oft verklärten Erzählung vom Wald als intaktes Ökosystem. Paul Mayer findet in seiner langjährig angelegten Portraitserie eine einzigartige Freiheit der Form, die sich bei den teils waghalsigen Holzkonstruktionen Bahn bricht und dabei zum Bindeglied wird zwischen konstruktiven und organischen Elementen der vom Menschen geprägten Landschaft. Daneben weisen Philipp Schönborns Collagen, die den Wald in Form von kaleidoskopisch arrangierten Fotografien einfangen, von einer natürlich-schöpferischen Ordnung im vermeintlich chaotischen Zusammenspiel der Stämme, Äste und Blätter. Hans Pfrommer begibt sich für seine malerische Annäherung an das Thema in die Perspektive des Gejagten. Mit seinem charakteristischen Gespür für den Moment fängt er den unwahrscheinlichen Sekundenbruchteil ein, in dem einer imaginären Beute ihre missliche Lage bewusst wird. Daneben steht in humorvoller Verbundenheit der Hochsitz mit vergoldeter Kanzel, den Beate Passow 1988 gegenüber des Prinz-Carl-Palais aufstellte, und von dem aus der politisch Andersdenkende theoretische Zielübungen auf den streitbaren Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß ausführen konnte. Sarah Iremonger nutzte das bestehende und unerschöpflich breite Netzwerk der in Deutschland stehenden Hochstände zur Gründung einer fiktiven Partei, deren Repräsentanten die Bauwerke selbst sind und beleuchtet damit auch die schattigen Seiten der Jagd als politisches Hinterzimmer. Im angrenzenden Park zur Ausstellung führt Oliver Gather das Augenmerk zurück auf den Menschen, indem er eine kontemplative Kanzel als materialisierte Selbstreflexion konstruiert: Da wo die Luke sonst den Blick freigibt in die Landschaft, führt bei Gathers Bau eine schlaufenförmige Röhre zurück in die Kanzel. So schließt sich ganz buchstäblich ein Kreis.


Change!  Hunters Hide

A group exhibition with Heike Kati Barath, Oliver Gather, Jan Gmeinhardt, Hubertus Hess,
Sarah Iremonger, Paul Mayer, Minyoung Park, Beate Passow, Hans Pfrommer, Philipp Schönborn

Opening: So 30.05.2021 / 2 – 6 pm
Welcome speech 2:30 pm / Live music with Kohmann&Weiß 3 pm

There are some icons so deeply engraved in the collective memory of images that people are no longer actively aware of their special significance. The hunters hide belongs to this rare category.  It is indisputable that hunting has an established place in stereotypes of Germans and their countryside.  And yet in practice this is a very distant affair for most Germans since very few people have a permit allowing them to hunt. Nevertheless the hunters hide is visible for anyone who doesn’t move through the world just day-dreaming.  Time and again we come across this phenomenon when taking a walk or going on an excursion.  The artists in our exhibition discover a specific quality in its visual ambivalence and evasion of any clear-cut ordering.  As an object whose existence is so radically based on simple functionality it contains an enormous diversity of forms and a considerable degree of iconographic autonomy. The hunter’s ambition of integrating his construction as imperceptibly as possible in nature is shared with some architects. In its archaic essence a hunters hide is in fact akin to the primordial form of architecture. As a pure symbol it in turn embodies a place of tranquillity, especially as a historic motif standing for dominance and the associated privilege of having the right to hunt.  But underlying all such associations the hunters hide with all its functional background also stands for a disturbing realisation of major importance for the exhibition: In times when a large number of trees in our cities are destined to disappear a forest is no longer a purely idyllic place,  It has long become a location where crisis is directly readable.  Alongside reforestation with species of trees that can cope with the challenges of changing climate, hunting will play an essential role in regulating the damage done by wild animals in destroying young plants. In this area of conflict between opposing interpretations and values our exhibition brings together artists who found a common denominator in a choice of motif approached from widely differing viewpoints.

For instance there is Heike Kati Barath with oil paintings over 7 metres high, known for the charm of her large-scale works.  She also stages a seemingly endless number of chairs supporting a pulpit as a grotesque wooden version of the proverbial ivory tower. Jan Gmeinhardt’s diorama presents the lonely scene of a hunters hide in a steppe-like landscape which seems like a dystopian view of a time after climatic apocalypse. However that is a deceptive impression. Both his miniature and his oil paintings in fact refer to here and now rather than the future or past. Minyoung Park shows the forest as a dynamic setting, almost as if bathed in the neon-light of a modern city. The hunters hide appears as a place of withdrawal – even for the observer who can allow his gaze to take a break amid this shimmering acrylic painting.  Hubertus Hess puts a block of wood on a folding ladder with a  stag’s head trophy at the front and behind that a Bambi,  just to clearly evoke the theme. This serves as an illuminating analogy to often romanticised narratives of the wood as an unspoilt ecosystem. In a series of portraits produced over many years Paul Mayer finds unique freedom of form whose pioneering daredevil wooden constructions become a connecting-link between constructive and organic elements in a landscape shaped by human beings. Philipp Schoenborn’s collages capture the wood in kaleidoscopically-arranged photographs with natural and creative order in the supposedly chaotic interplay of trunks, branches, and leaves. Hans Pfrommer adopts the perspective of what is being hunted in his painter’s approach to the theme.  With his characteristic responsiveness to the immediate moment he captures that improbable fraction of a second in which an imaginary prey becomes aware of its life-threatening situation. Looking back to 1988 Beate Passow humorously establishes a golden hide outside the Prinz-Carl-Palais  so that people with alternative political views could direct their theoretical objectives towards Bavaria’s controversial Prime Minister Franz Josef Strauss. Sarah Iremonger used the existing and endless network of hunters hides in Germany as the basis for a fictional political party whose representatives are the constructions themselves, thereby throwing light on the shady aspect of hunting as a political back-room. In the park alongside the exhibition Oliver Gather refocuses attention on human beings by constructing a look-out serving contemplation as materialised self-reflection. Gather’s construction has a loop-like tube reentering the hide at the place where a skylight otherwise opens onto the landscape. A circle thus literally closes.


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